Forderung 1: Pflicht zur Kostenwahrheit und zu fairem Wirtschaften

Das enorme Wachstum des Flugverkehrs und die damit einhergehenden Belastungen der Umwelt haben ihre Ursache zu einem wesentlichen Teil darin, dass Fliegen viel zu billig ist. Die Situation wäre schon eine ganz andere, würde die Luftfahrt nur „normal“ besteuert werden und würde sie auf Lohndumping verzichten, also wenigstens minimale Sozialstandards einhalten: Fliegen würde viel mehr kosten, es würde weniger geflogen werden und die Umwelt würde aufatmen.

Schluss mit Steuerprivilegien

Die Luftfahrt genießt unglaubliche Steuerprivilegien, die ihr einen unfairen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Mobilitätsformen, insbesondere der Bahn, einräumen.

Situation Österreich

Kerosin ist von der Mineralölsteuer befreit. (Zum Vergleich: die Mineralölsteuer auf Benzin beträgt 0,5 Euro je Liter.)
• Alle Flüge, die Österreich verlassen, sind bei gleichzeitigem Vorsteuerabzug (!) von der Umsatzsteuer befreit (Ausnahme: innerösterreichische Flüge 13 % USt).
Flughafenflächen sind von der Grundsteuer befreit.
• Flugtickets unterliegen nur der 2011 eingeführten, lächerlich geringen Flugabgabe, deren Höhe über die Jahre mehrfach geändert wurde. Seit 1. September 2020 beträgt die Flugabgabe 12 Euro je Passagier; abweichend davon für die Ultrakurzstrecke (350 km Umkreis) 30 Euro je Passagier.
• Von der nationalen CO2-Bepreisung, eingeführt mit dem Ökosozialen Steuerreformgesetz 2022, ist der Luftverkehr ausgenommen, da er dem EU-Emissionshandel unterliegt.

Situation EU

Bei Steuerfragen spielt auch die EU eine große Rolle, denn die Steuerbefreiung für Kerosin ist in einer Richtlinie abgesegnet. Auch die Umsatzsteuerbefreiung hat ihren Ursprung im EU-Recht.
Gemäß Energiesteuerrichtlinie wurden die Mitgliedsstaaten verpflichtet, Kerosin von der Energiesteuer auszunehmen.
Frau Ministerin Gewessler setzt sich auf EU-Ebene aktiv für die Besteuerung von Kerosin ein.
Die Umsatzsteuerbefreiung der internationalen Luftfahrt basiert auf historischen Ausnahmeregelungen. Jeder Staat kann diese Befreiung unabhängig von den anderen EU-Staaten zurücknehmen.
Die enge Verwobenheit der Besteuerung mit der EU hindert die österreichische Regierung aber nicht, Maßnahmen in Richtung Steuergerechtigkeit zu setzen und aktiv für Klimaschutz in der EU einzutreten.
EU-ETS: Nur Flüge innerhalb der EU sind im EU-Emissionshandelssystem eingebunden, wobei der Großteil der Emissionszertifikate den Fluggesellschaften kostenlos zugeteilt wird.

Situation International

CORSIA – ist die Abkürzung für Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation. Corsia ist eine Erfindung der ICAO (International Civil Aviation Organisation) und soll der Luftfahrt klimaneutrales Wachstum ermöglichen. Dies soll erreicht werden, indem die Fluggesellschaften weltweit CO2-senkende Klimaschutzprojekte finanzieren, in denen in entsprechender Größenordnung die Emissionen aus dem Luftverkehr kompensiert werden. Corsia bezieht nur die Klimawirkung des CO2 und nicht von z. B. Stickoxiden, Rußpartikeln und Wasserdampf mit ein. Derzeit befindet sich CORSIA in einer Pilotphase (bis 2023).

Corsia wird nichts Wesentliches an den direkten Auswirkungen des Flugverkehrs auf das Klima ändern und ist nicht vereinbar mit den EU-Zielen der Klimaneutralität bis 2050 – da es nur um das Wachstum, aber nicht um die Einsparung der Gesamtemissionen geht.

Aviation Reset fordert den aktiven Einsatz der österreichischen Bundesregierung auf EU-Ebene für eine angemessene CO2-Steuer.

Aviation Reset fordert bis zur Umsetzung einer angemessenen CO2-Steuer auf EU-Ebene in Österreich die Anhebung der Flugabgabe auf Flugtickets und die Einhebung von Grundsteuer von Österreichs Flughäfen.

Schluss mit staatlichen Subventionen; keine Ausbauten auf Kosten und Risiko der Steuerzahler

Bereits zwei Mal mussten die österreichischen Steuerzahler:innen die AUA subventionieren: 2009 mit 500 Millionen Euro, nachdem sie von der Billigkonkurrenz der AUA, die der Flughafen Wien selbst züchtet, in den Ruin getrieben wurde. Die Covid-Unterstützung fällt mit 450 Millionen Euro auch großzügig aus. Man steht also bei fast 1 Milliarde Euro an direkten Subventionen in die AUA, damit der Flughafen Wien seinen Hauptkunden nicht verliert.

Auch sich selbst lässt der Flughafen Wien mit Steuergeldern durch die Krise durchfüttern, mit Kurzarbeitszuschüssen in der Höhe von 79,8 Millionen Euro im Jahr 2020, 49,8 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2021 und einen Fixkostenzuschuss von 6,7 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2021. Die Kurzarbeit wird 2022 (zunächst) weitergeführt.

Absurd: Der Flughafen Wien hält an seinen Plänen zur dritten Piste fest und wird nicht müde, dies in seinen Geschäftsberichten zu betonen. Nach der Krise soll gebaut werden. Und in der nächsten Krise – sie kommt sicher – müssen die Steuerzahler:innen dann noch mehr berappen – schließlich gilt es dann nicht nur die Infrastruktur von zwei, sondern von drei Pisten zu erhalten. Dabei klagt Vorstandsdirektor Ofner schon jetzt, dass die monatlichen Fixkosten für die Erhaltung der Infrastruktur bis zu 20 Millionen Euro ausmachen.

Auch steht die Gefahr im Raum, dass die Bundesländer, die an den Flughäfen beteiligt sind, allen voran Wien und Niederösterreich als Aktionäre der Flughafen Wien AG, aus Steuergeldern in die Ausbauten einzahlen.

Aviation Reset fordert, dass österreichische Steuergelder weder direkt noch indirekt in Flughafenausbauten fließen noch als Risikokapital für derartige Unternehmungen dienen dürfen.

Schluss mit Ticket-Dumpingpreisen und Lohn- und Sozialdumping

Laut Regierungsprogramm soll es Anti-Dumping Regelungen für Tickets geben; die Umsetzung lässt jedoch auf sich warten.
Indessen ist der vom Flughafen Wien inszenierte ruinöse Preiskampf nach den Lockdowns im Sommer 2021 wieder entbrannt und wird 2022 aktiv fortgeführt.

Ryanair und Wizzair untergraben das Geschäft der AUA mit Spottpreisen; die AUA ist auf staatliche Subventionen angewiesen. Indirekt werden so auch die Billigairlines Wizz und Ryan mit österreichischen Steuermitteln gestützt.
Ryanair genießt Rabatte („Incentives“) am Flughafen Wien, obwohl sie die Ryanair-Tochter Laudamotion GmbH 2020 stillgelegt hat und in Österreich Flugzeuge nur stationiert. Ryanair ist übrigens die Fluggesellschaft, die bekannt dafür wurde, ihre Piloten nur nach Stunden zu zahlen (40 Euro).
Der Ryanair steht die WizzAir, die dritte Airline am Flughafen, nicht viel nach. Auch sie betreibt eine vom Flughafen Wien geförderte Dumpingpreispolitik, gepaart mit „kostengünstiger“ Personalpolitik, soll heißen das Personal wird möglichst außerhalb des österreichischen Sozialsystems gehalten.
Da kann die in Österreich ansässige AUA, die noch immer einigermaßen anständige Arbeitsverhältnisse anbietet, nicht mithalten.

Aviation Reset fordert die sofortige Umsetzung von wirksamen Anti-Dumping Regeln für Flugtickets und strengen Auflagen gegen Lohn- und Sozialdumping, insbesondere für Airlines, die aus dem Ausland bei uns stationierte Flieger betreiben.

Schluss mit der Arbeitsplatzlüge

Österreichs Flughäfen schaffen Arbeitsplätze, aber nicht annähernd so viele wie behauptet wird.

Erst jüngst gab der Flughafen Wien wieder in einer Presseaussendung zur Verteidigung der Kurzstrecke an, dass an der Luftfahrt über 90.000 Arbeitsplätze in ganz Österreich hängen würden. Wie kommt der Flughafen Wien auf diese Zahl? Ganz einfach, indem er sich auf Gefälligkeitsgutachten stützt und zusätzlich kräftig übertreibt.

Mit dem Arbeitsplatzargument macht sich die Luftfahrt die Politik gefügig. Dafür wendet sie einen einfachen Trick an. In sämtlichen Gefälligkeitsgutachten – wir werden sie noch vorstellen – wird die Zahl der durch die Luftfahrt geschaffenen Arbeitsplätze, nicht nur wie üblich mit direkten Arbeitsplätzen berechnet, sondern auch mit indirekten (z.B. Zulieferer) und „induzierten“. Letztere sind solche, die entstehen, wenn Mitarbeiter:innen in der Luftfahrtbranche ihr Einkommen privat ausgeben, also wenn sie sich zum Beispiel in einem Möbelgeschäft einen neuen Kasten kaufen. Würden alle Industrien nach dieser Methode die ihnen zuzurechnenden Arbeitsplätze berechnen, dann würde die Arbeitskraft eines Landes bei Weitem nicht zur Abdeckung des Bedarfs ausreichen. Es ist auch falsch anzunehmen, dass alle Personen, die in der Luftfahrt unterkommen, alternativ nur arbeitslos sein könnten.

Der Reigen an Gefälligkeitsgutachten wurde 2012 mit der Studie von Oxford Economics2 „The economic impact of changing the Air Transport Levy in Austria” im Auftrag der WKÖ, der Industriellenvereinigung, der AUA, des Flughafen Wien und der Arbeitsgemeinschaft Österreichischer Verkehrsflughäfen (AOEV) eröffnet. Mit ihr wurde gegen die Flugabgabe gekämpft. Sie kam auf 59.500 direkte, indirekte und induzierte Beschäftigte in Österreichs Luftverkehrswirtschaft.

2013 folgte die Studie von Steer Davies Gleave “The Austrian Aviation Sector in the Context of the Business Location Austria (Final Report)” im Auftrag des Verkehrsministeriums, die mit einer engeren Abgrenzung des Begriffes Luftverkehrswirtschaft 54.000 direkte, indirekte und induzierte Beschäftigte berechnete.

2015 ließ der Österreichische Luftfahrtsverband die „IWI-Studie“ „Die volkswirtschaftliche Bedeutung der österreichischen Luftverkehrswirtschaft“ beim IWI-Industrie-wirtschaftlichen Institut erstellen. Dieser kam – wieder mit einer anderen Abgrenzung – auf beeindruckende 72.700 direkte, indirekte und induzierte Beschäftigte.

Den vorläufigen Abschluss der branchenfreundlichen Gutachten bildet die „Economica Studie“ des Economica Institut für Wirtschaftsforschung „Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Österreichischen Luftverkehrswirtschaft“ im Auftrag des Verkehrsministeriums aus 2020. Sie ermittelt gemäß der „Kerndefinition“ 30.531, gemäß der „engen Definition“ 52.662 und nach der „weiten Definition“ 56.044 „Beschäftigungseffekte in Personen“. Aviation Reset hat die Autor:innen der Economica Studie mehrfach – u.a. mit Einschreiben – ersucht, auf gewisse Aspekte klärend einzugehen. Das Economica Institut für Wirtschaftsforschung verweigert jegliche Auseinandersetzung mit kritischen Fragen.

Selbst die wohlwollendste Studie im Interesse der Luftfahrtindustrie kommt nicht in die Nähe der vom Flughafen Wien behaupteten 90.000 Arbeitsplätze!

Schließlich ist noch auf die Qualität der Arbeitsplätze hinzuweisen, die in keiner der Studien zur Sprache kommt. In der Luftfahrt sind die Arbeitsbedingungen vielfach prekär, worauf die Gewerkschaft Vida bereits wiederholt hingewiesen hat.

Prof. Friedrich Thießen von der Technischen Universität Chemnitz nahm 2014 im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung (Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik) eine kritische Auseinandersetzung mit den auch in Deutschland kursierenden Gefälligkeitsgutachten für die Luftfahrt vor, und zwar unter dem Titel „Vermeintliche und tatsächliche Wachstums- und Beschäftigungseffekte des Luftverkehrs – Eine kritische Würdigung angewandter Berechnungsmethoden“.

Die Delft Studie «Taxes in the Field of Aviation and their impact“, die von der EU-Kommission 2019 in Auftrag gegeben wurde, befasst sich mit der Frage der Auswirkungen auf die Wirtschaft und auf die Arbeitsplätze, wenn die Steuerprivilegien der Luftfahrt, insbesondere die Steuerbefreiung für Kerosin, abgeschafft werden würde. Das Ergebnis ist: Neue oder erhöhte Steuern würden sich zwar dämpfend auf die Luftfahrt auswirken, gesamt betrachtet hätten sie jedoch keine nachteiligen Auswirkungen. Andere Sektoren würden durch die höheren Steuereinnahmen, die entweder in höheren Ausgaben des Staates oder in einer geringeren allgemeinen Steuerlast resultieren, ungefähr in gleichem Maß profitieren. Darüber hinaus wäre der Effekt für die Umwelt positiv.

Es kann also auch anders gehen – und zwar nicht schlechter für die Wirtschaft und die Arbeitsplätze, aber besser für die Umwelt und gerechter.

Aviation Reset fordert eine seriöse wissenschaftliche Evaluierung der Bedeutung der Luftfahrt für Österreichs Arbeitsmarkt.