ZUSAMMENFASSENDE EINLEITUNG
Mediation und Dialogforum untergraben den Rechtsstaat
Dem Flughafen Wien wäre es freigestanden, gemäß UVP-G im Rahmen des Verfahrens zur Bewilligung der 3. Piste mit den gesetzlich legitimierten Parteien dieses Verfahrens eine Mediation abzuhalten. Er hat es aber vorgezogen, die Mediation nach frei erfundenen Regeln unter Zuziehung der Parteien seiner Wahl abzuhalten. Aufgrund der hochgradigen politischen Unterstützung durch Wien (SPÖ) und Niederösterreich (ÖVP), als Kernaktionäre des Flughafens, der Austro Control und der „Wirtschaft“ konnte dadurch am Rechtsstaat vorbei ein System eingerichtet werden, in dem sich der Flughafen Wien in seiner eigenen Sphäre seine Angelegenheiten selbst regelt. Das Instrument dazu heißt „Dialogforum“.
Im Dialogforum, ein vom Flughafen Wien finanzierter privater Verein, werden die Lenkung des Luftverkehrs, ein hoheitlicher Akt, und sonstige behördliche Agenden betreffend den Flughafen Wien intransparent nach selbst erfundenen Regeln abgehandelt. Die Austro Control und das Verkehrsministerium setzen dann die Ergebnisse willfährig um. Dies betrifft Themen wie Betriebszeiten, An- und Abflugverfahren, Routenführung, aber auch Lärmentgelte, deren intransparente Systematik und lächerliche Entgelthöhe im Dialogforum vorab, unter anderem mit der Austrian Airlines, abgestimmt werden.
Die für den Anrainerschutz verantwortlichen Länder Wien und Niederösterreich und das Verkehrsministerium mit der Austro Control haben sich der lästigen Aufgabe des Anrainerschutzes durch Verweis auf das Dialogforum entledigt.
- Der behauptete breite Konsens der Anrainer in der Mediation ist Lug und Trug, ebenso wie die Bürgerbeteiligung im Dialogforum eine Pseudoeinrichtung ist
Am Ende der Mediation unterstützte eine Handvoll von Anrainern die Ergebnisse der Mediation und somit den Bau einer dritten Piste. Daraus zimmerte man dann die „ARGE“, die Arbeitsgemeinschaft von Bürgerinitiativen als (einzige) Vertretung der Anrainerinteressen im Dialogforum. Die ARGE wird vom Flughafen dirigiert, nur Bürgerinitiativen, die die Ergebnisse der Mediation unterstützen, dürfen dort beitreten, alle anderen sind ausgeschlossen.
Und während man aus einer Handvoll Unterstützer die Pseudobürgerbeteiligung im Dialogforum über die ARGE zimmerte, bildete sich eine starke, rechtlich nach § 19 UVP-G legitimierte Opposition der Bürger im Verfahren zur Bewilligung der dritten Piste, um diese zu verhindern.
Medial blieb diese starke Opposition weitgehend unbeachtet. Der Flughafen Wien stellte sicher, dass in der Öffentlichkeit nur marginal über sie berichtet wird, während die ARGE medial gehypt wird. Somit wurden die Fakten in der öffentlichen Wahrnehmung vollständig umgedreht.
- Mediation und Dialogforum unterwandern den Gesundheitsschutz
Abgesehen davon, dass der „Dialog“ im Dialogforum nicht auf Augenhöhe geführt wird, kann die Gesundheit, vor allem der Nachtschlaf, ganz grundsätzlich nicht Gegenstand eines Dialogs sein, sondern erfordert Schutzmaßnahmen nach wissenschaftlichen Kriterien.
Das Dialogforum dient hingegen vorrangig dazu, den Verkehrslärm „im Dialog“ auf die umliegenden Gemeinden zu verteilen. Maßnahmen zur Lärmreduktion, die Einschränkungen für die Luftfahrt bedeuten könnten, werden nicht verfolgt. Im System des Dialogforums wird es nie eine Nachtflugpause geben und werden Lärm- und Emissionsentgelte immer eine Farce bleiben.
- Der Schmäh vom „Dialog“ ist 20 Jahre alt und hat den Flughafen Wien zum Schlusslicht im Anrainerschutz gemacht
Der Flughafen Wien erzählt seit 20 Jahren die Geschichte vom „Dialog“, statt seine Standards im Anrainerschutz anzuheben. Andere Flughäfen in Europa sind bereits viel weiter. Sie haben Nachtflugpausen und transparente Lärm- und Emissionsgebühren, wie z.B. die Flughäfen München, Frankfurt, Berlin-Brandenburg, Zürich und Heathrow – ohne „Dialogforum“.
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- Die „Mediation“
Der Flughafen Wien veranstaltete zwischen 2001 und 2005 eine „Mediation“ nach frei erfundenen Regeln, um sich breite Zustimmung für den ungehemmten Ausbau zu holen.
An der Mediation waren zahlreiche Parteien beteiligt, die in einem UVP-Verfahren keine Parteistellung hätten, so zum Beispiel die politischen Parteien in Wien und Niederösterreich, der Tourismusverband Wien, die Niederösterreich-Werbung, die Wirtschaftskammer Österreich, die Standort-Arbeitnehmervertreter am Wiener Flughafen und andere. Das Land Niederösterreich, die Umweltanwaltschaft Niederösterreich und das Verkehrsministerium, faktisch vertreten durch die Austro Control, nahmen an dem Mediationsverfahren ebenfalls teil.
Bürgerinitiativen mit Parteistellung nach § 19 (4) UVP-G konnten sich nicht konstituieren, da die Konstituierung ein ordnungsgemäßes UVP-Verfahren vorausgesetzt hätte. Bürgerinitiativen wurden zwar beigezogen, jedoch ohne Legitimationskriterien. Die einzige Bürgerinitiative, die Wiener Interessen vertrat, die „Wiener Bürgerinitiative“, verließ angesichts der Aussichtslosigkeit des Unterfangens das Verfahren. Dazu verfasste sie eine umfassende Stellungnahme vom 13. Juli 2007, die die Problematik des Verfahrens aus der Sicht der Bürger:innen aufzeigt. Unter anderem verwies sie darauf, dass
- das Zahlenmaterial nicht nachvollziehbar ist,
- es kein Konzept zur Verminderung der Lärm- und Emissionsbelastung gibt,
- die Unparteilichkeit des Mediators Dr Prader zweifelhaft ist,
- die zeitliche Belastung der (ehrenamtlichen) BI-Vertreter enorm ist und nicht an allen Sitzungen teilgenommen werden kann,
- Wien und Niederösterreich als Aktionäre des Flughafen Wien und als Vertreter der Betroffenen im Verfahren einen klassischen Zielkonflikt haben und
- das Mediationsverfahren als geeignetes Mittel in Frage zu stellen ist.
Der erste Teil der Mediation endete mit dem Teilvertrag „aktuelle Maßnahmen“ vom 27. Mai 2003. Er beinhaltet eine zivilrechtliche Vereinbarung zwischen (nicht legitimierten) Parteien, wie die bestehende Lärmbelastung im Zweipistenbetrieb aufgeteilt wird. Für die Nacht gibt es eine zahnlose Deckelung der Flugbewegungen, die den Flughafen Wien nicht hindert rund um die Uhr sein Geschäft zu betreiben.
De facto sind die Mediationsergebnisse eine carte blanche für den Flughafen Wien, die Bevölkerung unbegrenzt zu belärmen. Der Lärm braucht nur hin und her geschoben zu werden, er muss aber nicht verringert werden. Werden Zielwerte nicht eingehalten, z.B. Überschreitung der (großzügigen) Deckelung der Nachtflüge, hat das keine Konsequenzen. Denn der Mediationsvertrag hat die Anrainer rechtlos gelassen.
Im zweiten Teil der Mediation ging es um den Bau der 3. Piste, ihre Lage und das Fluggeschehen im 3-Pisten-System. Das Ergebnis brachte der Flughafen Wien in das Bewilligungs- und UVP-Verfahren für den Bau der 3. Piste ein. 2019 wurde die Bewilligung nach einem erbitterten Kampf der Bürger:innen gegen das Projekt rechtskräftig.
- Der behauptete breite Konsens der Anrainer in der Mediation ist Lug und Trug.
Nachdem bereits im Zuge des Verfahrens Bürgerinitiativen ausgetreten waren, insbesondere die „Wiener Bürgerinitiative“, verweigerten auch viele verbliebene Bürgerinitiativen die Zustimmung zu den Ergebnissen. Einige brachten auch Gegenstellungnahmen ein, so die Bürgerinitiativen Alternative Liste Schwechat, BI Bruck/L.-Lärm im Anflug, Hennersdorfer Bürgerinitiative, Schwadorf gegen die 3. Piste, Bürgerinitiative „Bürgerlärm gegen Fluglärm“. Der Siedlerverein Eßling und die BI Trau.di unterzeichneten mit Vorbehalt. Der verbliebene zustimmende Rest war kläglich, ein paar Vertreter von kleinen Ortschaften in der Umgebung des Flughafens (BI Fischamend, BI Götzendorf/Pischelsdorf, Verein aktiver Umweltschützer Himberg, Bürgerforum Haslau/Maria Ellend, Siedlerverein Lobau, BI Pro Margarethen) und der Zentralverband der Kleingärten Österreich.
Angesichts dieses äußerst schwachen Ergebnisses blieb offensichtlich nichts anderes übrig als den Grundsatz „fake it till you make it“ zu verfolgen. Aus Anlass der Unterzeichnung des Abschlussdokuments wurde eine „Arbeitsgemeinschaft von Bürgerinitiativen und Siedlervereinen um den Flughafen Wien“, kurz ARGE, ins Leben gerufen. Sie vertrat Alfred Höllrigl als Obmann, dem zuvor von seiner Plattform die Bürgerinitiativen abgesprungen waren, da sie im Gegensatz zu ihm nicht bereit waren, die Mediationsergebnisse zu unterfertigen. Diese den Mediationsvertrag unterzeichnende ARGE war also ursprünglich eine „One-Man-Show“ – klang aber nach mehr.
Eine weitere Mitspielerin fand der Flughafen in Frau Rynesch, die die „Plattform Fluglärm Österreich“ vertritt. Bis heute hat die Dame sämtliche Anfragen ignoriert, für wen sie steht, wer Mitglied der Plattform ist oder woraus sich sonst ihre Legitimation ableitet. Faktum ist, dass sie mit ihrer Unterschrift – obgleich nur eine „One-Woman-Show“ – den Mediationsergebnissen die Aura eines breiten Konsenses gab.
In der Folge wurde die im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Mediationsergebnisse noch leere ARGE mit den Bürgerinitiativen aus den kleinen Ortschaften und der Plattform von Frau Rynesch „befüllt“ (der Zentralverband der Kleingärtner Österreichs verschwand von der Bildfläche) und avancierte zum Mitglied im Dialogforum des Flughafen Wien. Bürgerinitiativen, die dem Dialogforum beitreten wollten, mussten sich von da an in die ARGE einordnen und über ihren Obmann Höllrigl, später seinen Nachfolger Manfred Peter, im Dialogforum vertreten lassen. Eine direkte Vertretung von Bürgerinitiativen im Dialogforum wurde von vornherein ausgeschlossen. Voraussetzung für den Beitritt zur ARGE ist die Unterwerfung unter die Ergebnisse der Mediation.
Frau Rynesch stieg zur Obmann-Stellvertreterin der ARGE auf und entwickelte sich zum Liebkind der niederösterreichischen Landesregierung und des Flughafenvorstands. Sie erhielt eine Auszeichnung der niederösterreichischen Landesregierung und Dankesbriefe des Flughafenvorstands, denn als Obfrau-Stellvertreterin der ARGE wird sie nicht müde, die Werbetrommel für das Dialogforum zu rühren.
Und während man aus einer Handvoll Unterstützer die Pseudobürgerbeteiligung im Dialogforum über die ARGE zimmerte, bildete sich eine starke, rechtlich fundierte Opposition der Bürger gegen den Bau der dritten Piste und das durch die Mediation etablierte unfaire System zur Behandlung von Anrainerschutzinteressen.
Denn im Verfahren zur 3. Piste konstituierten sich acht Bürgerinitiativen gemäß § 19 (4) UVP-G. Das heißt, dass jede von ihnen beim Eintritt in das Verfahren mindestens 200 Unterstützer nachweisen musste (tatsächlich waren es viel mehr). Zusätzlich traten siebzehn Einzelpersonen als unmittelbar vom Projekt betroffene Nachbarn in das Verfahren ein. Das ergibt mindestens 1.700 Betroffene, die den Mut hatten, gegen den politischen Willen von Wien und Niederösterreich, SPÖ und ÖVP, gegen den Giganten Flughafen Wien aufzutreten.
Der Großteil der Opposition ist heute unter dem Dach von Aviation Reset. Viele weitere Personen und Bürgerinitiativen sind in der Zwischenzeit dazugekommen.
Medial blieb diese starke Opposition weitgehend unbeachtet. Der Flughafen Wien stellt sicher, dass in der Öffentlichkeit nur marginal über sie berichtet wird, während die ARGE medial gehypt wird.
- Dialogforum
Das „Dialogforum“, ein vom Flughafen Wien finanzierter Verein unter Beteiligung von Wien, Niederösterreich, der AUA, der Austro Control, einigen Bürgermeistern von Anrainergemeinden und der bereits vorgestellten ARGE von Bürgerinitiativen soll der Umsetzung der Ergebnisse der Mediation und – vorgeblich – der Behandlung von Problemen des Umlandes mit dem Fluggeschehen in einem „partizipativen, transparenten, kooperativen und fairen Kommunikationsprozess“ dienen. Tatsächlich ist das Dialogforum intransparent, schließt alle aus, die nicht für die 3. Piste und das ungehemmte Wachstum des Flughafen Wien sind, ist unkooperativ und unfair.
Der Prozess der Entscheidungsfindung ist in den Statuten des Dialogforums derart ausgestaltet, dass der Vertreter der ARGE nicht die geringste Chance hat, irgendetwas durchzusetzen, z.B. wirksame Lärmentgelte oder eine Nachtflugpause, auch nicht mit Hilfe der Bürgermeister, die darin vertreten sind. Die Übermacht der Luftfahrtinteressen ist abgesichert.
Zurück zur ARGE:
Die ARGE entwickelte sich weiter. Zwei Bürgerinitiativen aus Liesing hatten sich nach der Mediation gebildet, denn in der Mediation hatte man über den Kopf der Liesinger hinweg eine Starterroute über den Bezirk gelegt. Die beiden BIs wurden der ARGE zugeführt, danach verebbten ihre Aktivitäten. Andere Bürgerinitiativen, durchwegs aus kleinen Ortschaften, die sich nicht an der Mediation beteiligt hatten, traten vor einigen Jahren der ARGE bei, untere anderem die BI Ebergassing und die BI Rauchenwarth. Beide sparen nicht mit Kritik am Dialogforum, mittlerweile auch öffentlich wie beispielsweise am 14. Jänner 2025 bei einer Veranstaltung der BI Rauchenwarth unter Beteiligung von Aviation Reset.
- Kritik aus der ARGE des Dialogforums
Die BI Rauchenwarth führt vor Augen wie sie mit ihrem Anliegen eines Nachtflugverbots von allen Stellen an das „Dialogforum“ verwiesen wird, so vom Verkehrsministerium und von Landeshauptfrau Mikl-Leitner, die Niederösterreich als Miteigentümer des Flughafen Wien vertritt.
Die BI Rauchenwarth kommt zu dem Ergebnis:
„Das Dialogforum als Erfolgsmodell mag aus der Sicht der Flughafen Wien AG stimmen. Wahrscheinlich stimmt dies auch aus der Perspektive vieler Politiker*innen, die eine Auseinandersetzung mit den Sorgen ihrer Bürger*innen an das Dialogforum abschieben können.“
„Schlussendlich dient das Dialogforum vorrangig dazu, die steigende Verkehrsentwicklung und die damit verbundene Lärmbelastung nicht zu reduzieren, sondern sie „im Dialog“ auf die umliegenden betroffenen Gemeinden zu verteilen.“
Die BI Rauchenwarth legt aber auch offen, wie sie vom Obmann der ARGE gegängelt wird, denn der Obmann Manfred Peter führt im Auftrag des Flughafen Wien ein strenges Regime in der ARGE. So hieß es in einer Mail des Obmanns Manfred Peter an die Vertreterin der BI Rauchenwarth, von der bekannt wurde, dass sie auch mit Pistengegnern kooperiert:
„Ich möchte Dich darauf hinweisen, dass Deine BI im Zuge des Beitritts zur ARGE den allgemeinen Mediationsvertrag zur Kenntnis genommen hat. In diesem ist die Akzeptanz der Errichtung einer 3. Piste am Flughafen Wien enthalten. Gegenleistung der FWAG sind u.a. die bestehenden Nachtflugbeschränkungen und das techn. Lärmschutzprogramm. Deine Unterstützung eines Gegners der 3. Piste bei Aktionen steht dazu im Wiederspruch.“
- Der Schmäh vom „Dialog“ ist mittlerweile 20 Jahre alt und hat ausgedient
Der Flughafen Wien ist ein ewig gestriger. Er meint, dass er mit der Geschichte vom „Dialog“ auf Dauer um den Anrainerschutz herumkommt. Er hat seine Standards im Anrainerschutz seit 20 Jahren nicht erhöht. Andere Flughäfen in Europa sind ihm da weit voraus.