Forderung 3: Pflicht zum Gesundheitsschutz

In Österreich stehen die Interessen der Luftfahrt weit über dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung. Bluthochdruck, Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs und Schlaganfälle durch Fluglärm, insbesondere durch Entzug des Nachtschlafs, und Schadstoffe entstehen schleichend. Wie wir in der Pandemie beobachten mussten, reagiert die Politik immer erst dann, wenn die Intensivbetten knapp zu werden drohen. Schleichende Krankheiten lassen sich vertuschen. Und genau das passiert.

Fluglärm-Schwellenwerte nach WHO-Standards

Österreich ist skandalös weit entfernt von den Lärmschwellenwerten, die die Weltgesundheitsorganisation als für die menschliche Gesundheit noch erträglich erachtet.

Österreich hat mit der Luftverkehr-Lärmimmissionsschutzverordnung 2012 Schwellenwerte speziell für die Luftfahrt festgelegt, die dem Flughafen Wien ermöglichen sollen, in dichtest besiedeltem Gebiet frei zu expandieren. Auch wenn ein exakter Vergleich mit den von der WHO geforderten Schwellenwerten aufgrund abweichender Berechnungsmethoden nicht möglich ist, so gibt es nichts zu beschönigen. Die österreichischen Normen verdienen es nicht als „Schutznormen“ bezeichnet zu werden.

Mit der jüngsten Novelle des Luftfahrtgesetzes vom Juli 2021 ist auf Druck der Grünen ein kleiner Fortschritt gelungen, indem an allen Flughäfen Lärmmessungen und die Veröffentlichung der entsprechenden Daten verpflichtend wurden. Nun müssen geeignete Schutznormen her, an denen die Messergebnisse zu messen sein werden.

Aviation Reset fordert die Umsetzung der WHO-Fluglärmschwellenwerte in Österreich.

Absolutes Nachtflugverbot: Keine Starts und keine Landungen zwischen 22.00 und 6.00

Der Mensch braucht zur Erhaltung seiner Gesundheit ausreichend und regelmäßig Schlaf. Über dieses menschliche Grundwissen verfügen schon Kinder. Acht Stunden Nachtruhe ist nicht viel, Kinder brauchen jedenfalls mehr.

Nachtfluglärm ist erwiesenermaßen eine Ursache für Herz-Kreislauferkrankungen, Schlaganfälle, Bluthochdruck Depressionen und Krebs. Abgesehen vom menschlichen Leid trägt die Kosten dafür die Allgemeinheit. Der volkswirtschaftliche Schaden, der durch Nachtfluglärm entsteht, ist hoch und wird zu Unrecht nicht in die Betrachtung mit einbezogen.

Auf der Website des Flughafen Wien heißt es:

„Betriebszeiten / Nachtflugverbot: 24 Stunden / kein Nachtflugverbot, es besteht jedoch eine Limitierung gemäß Mediationsvereinbarung.“

Abgesehen davon, dass die Mediationsvereinbarung rechtswidrig und intransparent ist, hat das mit Gesundheitsschutz nichts zu tun.

Bereits mehrere europäische Flughäfen haben Nachtflugverbote („night flight ban“) eingeführt, die 5 bis 6 Stunden „echte“ Nachtruhe vorsehen (z.B. Flughäfen Frankfurt, Budapest, Warschau). Am Flughafen Zürich gilt ein Nachtflugverbot von 23.00 bis 6.00, wobei zwischen 23.00 und 23.30 ein Rückstau von verspäteten Flügen abgebaut werden darf.  Für Kinder wird dies sicher nicht ausreichen, aber immerhin wurde eine Regelung getroffen, die mehr als eine Farce ist. Dies zeigt, dass einem Nachtflugverbot nichts entgegensteht, außer der Unwille des Flughafenvorstands, der SCA (Schedule Coordination Austria GmbH) und der Austro Control.

Der Flughafen Wien war in Sachen Nachtflugverbot bisher ein Nachzügler. Nun kann er in eine Vorreiterrolle gehen und einen neuen Maßstab setzen.

Aviation Reset fordert ein Nachtflugverbot für geplante Flüge von 22.00 bis 6.00 für alle österreichischen Flughäfen, insbesondere für den Flughafen Wien.

Reale Umsetzung von lärmarmen An- und Abflugverfahren

Laut Regierungsprogramm 2020 – 2024 soll die Austro-Control „fluglärmreduzierende An- und Abflugverfahren“ zum frühestmöglichen Zeitpunkt einführen.

Bis dato ist nicht bekannt, dass die Austro Control irgendetwas getan hätte, das eine spürbare Verbesserung gebracht hätte. Im Gegenteil, Aviation Reset erreichen Beschwerden, dass gerade nach dem Lockdown rücksichtslos geflogen wird. Als ob der pandemiebedingte Rückgang des Geschäfts der Luftfahrt einen Freibrief geben würde, sich durch sonst nichts mehr einschränken lassen zu müssen.

Lärmarme An- und Abflugverfahren sind schon seit Langem hinlänglich bekannt (z.B. continuous-descent unter Anwendung des low-drag – low-power Verfahrens, das Lärm und auch Luftschadstoffe reduziert), werden aber von der Austro Control nicht durchgesetzt. Im Vordergrund stehen immer die Interessen der Airlines und der Flughäfen, denen möglichst wenig zuzumuten ist. Schließlich buhlen Österreichs Flughäfen um jeden Flieger – und sei er noch so laut.

Die Austro Control kooperiert wie ein Geschäftspartner mit den Flughäfen und den Airlines und vernachlässigt so ihre hoheitliche Aufgabe gemäß § 120 a LFG, zum Schutz der Bevölkerung auf eine möglichst geringe Emissionbelastung zu achten. (Siehe zur rechtwidrigen Lenkung des Fluggeschehens durch die Austro Control Forderung 4).

Beschwerdeverfahren sind eine Farce. So kann man sich über die An- und Abflüge am Flughafen Wien auf www.flugspuren.at – einer gemeinsamen Website des Flughafen Wien und der Austro Control – beschweren, bekommt aber nur eine automatisch generierte Standardantwort mit dem Inhalt, es sei so in der „Mediation“ ausgemacht worden und im „Dialogforum“ würde evaluiert werden. (Zu Mediation und Dialogforum siehe Forderungen 4)

Aviation Reset fordert von der Austro Control, ihrer Aufgabe gemäß § 120 a LFG nachzukommen und die Anwendung lärmarmer An- und Abflugverfahren für jeden einzelnen An- und Abflug im Hinblick auf ein möglichst schonendes Vorgehen zu überprüfen und „Best Practice“ Standards zu entwickeln.

Lärmgebühren mit Lenkungscharakter

Mit der jüngsten Novelle des Flughafenentgeltgesetzes vom Juli 2021 wurde – ebenfalls auf Druck der Grünen – die „Verpflichtung zur Differenzierung der Flughafenentgeltregelung … nach Gesichtspunkten des Schutzes vor Lärmimmissionen“ eingeführt. Allerdings gilt diese Verpflichtung erst ab 1. Jänner 2024, was eine Genehmigung durch Bescheid des Ministeriums im Jahr 2023 voraussetzt.

Diese neue Regelung wird nur dann Wirkung entfalten, wenn die Lärmgebühr auch Lenkungscharakter hat.

Die vom Flughafen Wien schon jetzt freiwillig eingeführte Lärmgebühr ist jedenfalls nicht dazu angetan, Airlines zu lärmsparenden Fliegen anzuhalten. Sie ist maximal intransparent ausgestaltet und erlaubt dem Flughafen Wien mit den Airlines beliebige Ergebnisse auszuhandeln.

Ganz offensichtlich handelt es sich bei dieser Lärmgebühr um ein reines Marketingtool, denn nur so lässt sich erklären, warum der Flughafen sie aktiv bewirbt, hinsichtlich ihrer Berechnung sich aber nicht in die Karten schauen lässt.

Aviation Reset hat die Fluglärmgebühr des Flughafen Wien einer Mathematikprofessorin der renommierten Universität Warwick vorgelegt, die sich an der Universität Wien in technischer Mathematik habilitiert hat. Ihre Beurteilung:

„Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das präsentierte Regelwerk nicht nachvollziehbar ist. Es fehlen Quellenangaben, Definitionen als auch für das Verständnis wichtige Erläuterungen. Ein Regelwerk dieser Art sollte einen klaren Zusammenhang zwischen physikalischen Größen, in diesem Fall dem durch das LFZ emittierten Fluglärm, und den zu entrichtenden Entgelten herstellen. Eine solche Korrelation ist im derzeitigen Regelwerk nicht erkennbar.“

Ein Beispiel für nachvollziehbare Lärmgebühren findet sich am Flughafen Zürich.

Aviation Reset fordert, dass das BMK nur solche Lärmgebühren genehmigt, die transparent sind und einen deutlichen Lenkungscharakter haben.

Luftschadstoff-Schwellenwerte nach WHO-Standards

Österreich sieht im Immissionssschutzgesetz-Luft (IG-L) Grenzwerte für die Luftschadstoffe Stickstoffdioxid (NO2), Feinstaub (PM10) und Ultrafeinstaub (PM2.5) vor. Diese Grenzwerte bleiben weit hinter den von der WHO zuletzt empfohlenen Grenzwerten, bei deren Überschreitung Maßnahmen gesetzt werden sollen, zurück.

Laut Europäischer Umweltagentur könnte die Einhaltung der neuen WHO-Grenzwerte für Ultrafeinstaub (PM2,5) allein in Österreich 2.900 vorzeitige Sterbefälle im Jahr verhindern.

Das Land Niederösterreich hat landesweit Messstellen, darunter auch am Flughafen Wien. Die Messwerte zeigen, dass die Schadstoffkonzentration gemessen an den WHO-Grenzwerten weit überhöht ist. Am Beispiel der Standortgemeinde des Wiener Flughafens wird das augenfällig:


Messwert Messstelle Schwechat

Stoff
20192020
WHO

IG-L
Stickstoffdioxid (NO2)17151030
Feinstaub (PM10)18161540
Ultrafeinstaub (PM2.5)139525
JMW (Jahresmittelwert) in µg/m³

In einer Studie ermittelte kürzlich der Bürgerverein Freising gemeinsam mit dem Helmholtz Zentrum München, Institut für Epidemiologie die Ultrafeinstaub-Belastung (UFP) im Umland des Münchner Flughafens während des Lockdowns und verglich diese Ergebnisse mit den Messungen des Vorjahres 2020. Die Anzahl der Flugbewegungen bestimmt deutlich die Menge der emittierten Schadstoffe, den Kerosinverbrauch und die Größe der UFP-Partikel. Selbst während der Pandemie war der Flugverkehr am Flughafen – trotz deutlichem Rückgang der Flugbewegungen – die größte Ultrafeinstaub-Quelle der Region. Dieses Ergebnis betrifft laut Studie alle größeren Flughäfen. Mit wachsendem Flugverkehr nach der Corona-Pandemie ist es daher aus gesundheitlichen Gründen unerlässlich, schwefelarmes Kerosin zu verwenden, um damit die UFP-Konzentration verringern zu können. Bei einem Flug von München nach Hamburg würde dieser um lediglich 50 Cent teurer werden (Kosten schwefelarmes Kerosin: 1-1,5 Cent/Liter).

Aviation Reset fordert eine sofortige Reduktion der österreichischen Grenzwerte für Luftschadstoffe auf das Niveau der WHO-Empfehlungen.